Liebe und Caritas
In der sogenannten "Kurzen Biographie" des Notars von 1457 findet sich auch die wichtige Angabe, dass Rita 40 Jahre im Kloster lebte, dort dem Herrn diente in Liebe und Caritas, in Fasten und Gebet. Sie war treu im Dienste Gottes, und Gott, Wunder wirkend durch ihre Fürbitte, war treu, nach seinem Wort: 'Er wird einem jeden vergelten nach seinen Werken'."
Das passionsmystische und caritative Leben der hl.Rita kommt in dem Hymnus auf Ritas Prunk-Sarg deutlich zum Ausdruck. Er führt dies in frohlockenden Worten aus: sie lebte und liebte nicht taglöhnerisch, sie führte nicht Buch über Verdienste, sondern sie liebte und gab sich ganz und radikal ihrem Herrn zu eigen. Das ist auch die Antwort auf die Frage nach ihrer Buße, wie andere Quellen übrigens schon im Jahre 1457 bezeugen.
Mystik der Caritas
Wer unter dem Gesetz der Liebe lebt, muss selber mit jeder Faser seines Herzens lieben. Diese Ausschließlichkeit bestimmte Ritas Hingabe an den Herrn. Öfters wiederholt der alte Schriftsteller: 'Was konnte sie denn dem Herrn mehr geben, wenn sie sich ganz und gar ergab? Sie glühte und brannte innerlich. Das göttliche Feuer zündet und brennt; aber es verbrennt nicht.' In einer solchen Gesinnung der Hingabe lebte Rita als Mädchen, als Frau, als Mutter, Witwe und Gottgeweihte. Hundert Jahre nach ihrem Tode war ihre Liebesmystik noch in Cascia bekannt und wurde von Künstlern besungen und auf einem Gemälde in S. Antonio in Cascia der Nachwelt erhalten. Hier erscheint Rita in dreifacher Verkleinerung. Vor einem Christus, der in dreifacher Vergrößerung, steht ein Minnesänger, der in normaler Proportion wiedergegeben ist. Er besingt dieses Liebesleben, das sich selbst vergisst und ganz im Geliebten aufgeht. Wie Johannes lehrt, bedingen sich Gottesliebe und Caritas gegenseitig. Auch die Biographie bezeugt: 'Wenn Rita dem Nächsten helfen konnte, war sie freudig, eifrig und bereit, auch unter Lebensgefahr noch Caritas zu üben. So hatte sie es schon als Kind von ihrer Mutter gelernt. Als sie noch bei Vater und Mutter war, gab sie den Armen oft die besten Sachen, die sie besaß.' Die Verwirklichung der totalen Hingabe wird in einem besonderen Ereignis erwähnt: 'Einst machte Rita einen Besuch im Kirchlein von St. Maria Magdalena. Mit großen theologischen Ausführungen wurden die Worte Jesu vom Prediger interpretiert: - Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. - Rita wurde erleuchtet vom göttlichen Licht und von göttlicher Gnade, ohne des schillernden Spieles der theologischen Begriffe gewahr zu werden. Von jener Stunde an begann für sie ein neues Leben. Ihr Sinnen und Trachten im Denken, Reden und Tun war allein auf Christus hin gerichtet, ohne den sie nicht mehr leben konnte und dem sie sich in ausschließlichster Nachfolge anschloss. Immer treuer ward ihr Dienst der Caritas: einfach und spontan im Alltag wie auch in den dramatischen Stunde ihres Lebens, oder bei den oft wiederkehrenden Epidemien. Rita war sich dessen bewusst, dass ihr 'geliebter' Jesus in den Armen und in der Armut gegenwärtig war. Den Armen diente sie nicht in dem Sinne, als ob sie mit ihrer Caritas der Umwelt ein soziales oder politisches Ideal zeigen wolle; sie diente nicht um Lohne und dachte nicht an Verdienst; denn sie diente IHM! Es ist nicht überliefert, wie umfangreich dieses Tun im einzelnen war. Der Biograph des Notars von 1457 sagt nur, dass sie '40 Jahre lebte in Caritas und Gottesdienst'. Das jedoch ist uns verbürgt, wie sie in den 40 Jahren, die ihrem Klosterleben als Tochter, Frau und Mutter vorangingen, in liebevoller Hinwendung zu den Armen Gutes tat. Ritas Wesenszüge lassen erkennen, wie sehr sie die Ihren, besonders ihren Gatten, mit der Fülle menschlicher, christlicher und göttlicher Liebe beglückte.
"Christus war das Licht und der Atem dieser Seele."
Der älteste Biograph beruft sich auf nicht mehr vorhandene Quellen; und so bedienen wir uns gern seiner naiven Ausdrücke, um die Heilige näher kennen zu lernen: "Nichts," - so sagt er, - "fehlte Rita in ihrem kleinen Castell. Sie war verehrt von allen, verwöhnt von der göttlichen Liebe, reich an Gütern und frei, zu verfügen, wie es ihr beliebte".
So wenigstens schien es nach außen um sie bestellt. Die Menschen wussten nicht, dass der Herr ihr in jungen Jahren eines Tages erschienen war und seitdem zwei Ideale in ihrer Seele stritten. Es war ihr, wie wenn Martha zu Maria sagte: 'Der Meister ist da und ruft dich'. Und Maria musste immer wieder aufstehen - und der alte Anruf Gottes übertönte Alles.- Das Geheimnis der zweifachen Anwesenheit von Martha und Maria in Ritas Seele kann ihren Beruf zum Klosterleben etwas verständlicher machen. In jeder heiligen Seele lebt eine Martha, die wohl schon zufrieden wäre, wenn sie dem Herrn den Tisch deckt; aber ihre Schwester Maria, die ja auch in der Tiefe der Seele lebt, kann es nicht über sich bringen, ihm zu Füßen zu sitzen. Aus einer feinen Sicht spricht der Biograph über ein solches Doppelleben: 'Rita liebte Jesus in vollkommener Liebe und deshalb berief sie der Herr zur Gnade eines wirklichen religiösen Lebens und zeigte ihr die Gipfel aller Vollkommenheit und Heiligkeit'.
Welche Atmosphäre herrschte im Kloster von Maria Magdalena? Sämtliche Geschichtsquellen betonen ein fundamentales Faktum: Es herrschte Liebe! Und Rita wirkte sie in Wort und Tat.