Historie

Die historische Situation zur Zeit der hl. Rita Die gesammelten Texte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sind ein Versuch, sich dieser großartigen Frau und Heiligen, der hl. Rita, und Ihrer Botschaft zu nähern.

Von Rita selbst haben wir nichts Schriftliches in Händen. Ihr Lebenszeugnis “spricht Bände”, weshalb sich viele Menschen bis heute auf “Spurensuche” begeben haben. Leider gibt es nur wenig Literatur in deutscher Sprache. Sobald es neuere Erkenntnisse gibt, werden sie nach Überprüfung in die Texte aufgenommen.

Entscheidend und wichtig für unser Leben ist, dass die hl. Rita für uns eine treue Wegbegleiterin sein möchte.
Nach wie vor können unendlich viele Menschen dies durch ganz konkrete Erfahrungen bestätigen.

Quellen

QUELLEN

Documentazione Ritiana Antica

Pater Agostine Trapè OSA, Vittorio Peri (Assisi) und viele Forscher, v.a in Italien und Spanien, suchen nach exakten Anhaltspunkten für einen chronologischen Lebenslauf der hl. Rita. Manches wird für immer im Dunkeln, unserem Wissen verborgen und deshalb auch Stückwerk bleiben.

Pater Damasus Trapp OSA hat zur Herausgabe der Bände der Documentazione Ritiana Antica (in ital. Sprache), die auf seine Initiative hin zusammengestellt wurden, am 3. März 1969 eine Zusammenfassung der 3 Bände in deutscher Sprache geschrieben. In den Texten zur Geschichte – die Zeit der hl. Rita – wird daraus unter der Angabe D.T. zitiert.

  1. Band: “Der Prozess von 1626 und seine Literatur” (in anastatischem Verfahren* wiedergegeben = anastatischer Druck: chem. Verfahren zur Vervielfältigung alter Drucke) – Kopie dieses Prozesses, in Kanzleischrift geschrieben (Sie wird im Erzbischöflichen Archiv von Spoleto aufbewahrt. Der Band ist mit umfangreichen Registern versehen, die von den Schwestern von Cascia in mühsamer Kleinarbeit zusammengestellt wurde.) – den “Codex miraculorum” (= Wunderkatalog) von 1552 (d. h. “die hauptsächlichsten Wunder und Gnadenerweise, wie man sie im Seligsprechungsprozess liest”) – Mirakelbuch von Spoleto – das “Leben der seligen Rita von Cascia aus dem Orden des hl.Augustinus” von P. Agostino Cavalucci OSA (17 Jhd)
  2. Band: P. Trapp prüft darin die vorhandenen Dokumente, um das “wahre Antlitz der hl. Rita” zu finden und darzustellen, gute Reproduktionen, z.T. in Farben > Rekonstruktion des Lebenslaufs der hl. Rita – Darstellungen auf dem alten Sarkophag = sogen. “cassa solenne” gegenüber der – “cassa umile” = einfacher Holzsarg, umschlossen von reich bebilderten äußeren Kassette (1457) und Hymnus auf passionsmystisches und caritatives Leben- Darstellung in “S. Francesco, Cascia” – kurz nach dem Tod der hl. Rita: kleine Biographie von einem Advokat von Cascia (> Originalausgabe Augustinusverlag, Wbg.)
  3. Band: historisches Antlitz von Cascia z. Z. der hl.Rita – vollständige Veröffentlichung der Verfassung / Statuten der “Potenza” (der “kleinen Herrschaft”) gedruckt 1545 – einen geschichtlichen Bericht von P. L. Vannutelli OSA (Perugia 1925) und historische Erinnerungen von Cascia von M. Franceschini (Cascia 1913) – kleines Traktat aus dem Klosterarchiv = Anleitung zur Frömmigkeit – Manuskript aus dem 15. Jahrhundert – im volkstümlichen italienischen Dialekt weitere Quellen: – die sogenannten “sechsteiligen Gemälde” und weitere Bilder und Fresken – “Moralschriftchen”, das sich im Kloster der hl. Rita fand – der Hymnus auf dem “Prunk-Sarkophag”.

KIRCHE

Auch die Kirche Gottes stand zu Ritas Zeiten im Schatten trüber Ereignisse. Großherzige Menschen wie Rita und Franz von Assisi leuchteten in Licht und Liebe und gaben Zeugnis von der inneren Kraft der Kirche. Dieselbe Kirche aber litt unter menschlichen Schwächen und wurde nur all zu oft missbraucht im Spiel von Ehrgeiz und Stolz als Machtinstrument der Erpresser und Unterdrücker.

Die ungeheuere Tragik des großen Schismas, jener schrecklichen Zeit, die nicht nur papstlos war, sondern von mehreren Päpsten zugleich “regiert” wurde, erfüllte auch Rita mit Schmerz und Sorge. Zwei, ja sogar drei zu gleicher Zeit regierende Päpste führten in skandalöser Weise miteinander Krieg. Keine Waffe, auch nicht der Kirchenbann, wurde gescheut, und gezwungenermaßen war jeder Christ, auch die hl. Rita, wenigstens auf dem Papier zeitweise exkommuniziert. Gegen diesen Missbrauch der Macht in den höchsten kirchlichen Ämtern donnerten die Geistesgelehrten von Cascia, die Augustiner und Franziskaner, sowie die Einsiedler in den Bergen vor der Stadt. Mit flammenden Worten geißelten sie Papst und Bischof und legten ihr Augenmerk auf die Heilung der schwärenden Wunden inmitten der ‘kleinen’ Christen. Es brachte nichts ein, sich auf die große, nur in Träumen existierende Kirchenreform zu konzentrieren. Die praktische Erneuerung jedes einzelnen Menschen musste in den Vordergrund gerückt werden.

Eine kleine Moralschrift aus dem Rita-Jahr-Cascias, gibt uns einen lebendigen und klaren Abriss der religiösen Lage dieses geschichtlichen Abschnitts. Natürlich wäre es verfehlt, nur schwarz in schwarz zu malen. Der gleiche Himmel mit der immer gleich strahlenden Sonne spannte sich über die sich immer gleichen Herzen, in denen wohl auch ein tiefes Glaubensleben pulsierte und der echte, wenn eben auch schwacher Wille lebendig war. Am Horizont zeichneten sich bereits die dunklen Wolken des Schismas ab, das 1378 zum Durchbruch kam. (D.T.)

KIRCHE

Auch die Kirche Gottes stand zu Ritas Zeiten im Schatten trüber Ereignisse. Großherzige Menschen wie Rita und Franz von Assisi leuchteten in Licht und Liebe und gaben Zeugnis von der inneren Kraft der Kirche. Dieselbe Kirche aber litt unter menschlichen Schwächen und wurde nur all zu oft missbraucht im Spiel von Ehrgeiz und Stolz als Machtinstrument der Erpresser und Unterdrücker.

Die ungeheuere Tragik des großen Schismas, jener schrecklichen Zeit, die nicht nur papstlos war, sondern von mehreren Päpsten zugleich “regiert” wurde, erfüllte auch Rita mit Schmerz und Sorge. Zwei, ja sogar drei zu gleicher Zeit regierende Päpste führten in skandalöser Weise miteinander Krieg. Keine Waffe, auch nicht der Kirchenbann, wurde gescheut, und gezwungenermaßen war jeder Christ, auch die hl. Rita, wenigstens auf dem Papier zeitweise exkommuniziert. Gegen diesen Missbrauch der Macht in den höchsten kirchlichen Ämtern donnerten die Geistesgelehrten von Cascia, die Augustiner und Franziskaner, sowie die Einsiedler in den Bergen vor der Stadt. Mit flammenden Worten geißelten sie Papst und Bischof und legten ihr Augenmerk auf die Heilung der schwärenden Wunden inmitten der ‘kleinen’ Christen. Es brachte nichts ein, sich auf die große, nur in Träumen existierende Kirchenreform zu konzentrieren. Die praktische Erneuerung jedes einzelnen Menschen musste in den Vordergrund gerückt werden.

Eine kleine Moralschrift aus dem Rita-Jahr-Cascias, gibt uns einen lebendigen und klaren Abriss der religiösen Lage dieses geschichtlichen Abschnitts. Natürlich wäre es verfehlt, nur schwarz in schwarz zu malen. Der gleiche Himmel mit der immer gleich strahlenden Sonne spannte sich über die sich immer gleichen Herzen, in denen wohl auch ein tiefes Glaubensleben pulsierte und der echte, wenn eben auch schwacher Wille lebendig war. Am Horizont zeichneten sich bereits die dunklen Wolken des Schismas ab, das 1378 zum Durchbruch kam. (D.T.)

HEILIGES JAHR / SELIGSPRECHUNG DES HL. NIKOLAUS VON TOLENTINO

Frühere Annahme: Die hl. Rita pilgerte anlässlich des Heiligen Jahres mit ihren Mitschwestern nach Rom. 15 Jahre trug sie die Stirnwunde. Da sich für diese Zeit die Dornenwunde schloss (das war die Bedingung für die Pilgerschaft) und sie die letzten vier Jahre bettlägrig war, konnte diese Pilgerreise nur innerhalb von 11 Jahren sein. 1300 war das erste Heilige Jahr ausgerufen worden, die folgenden waren 1400 / 1423 / 1450 /1500 / … (s.a.: http://www.legion-mariens.de/theologische_Artikel/Geschichte_der_Heiligen_Jahre/geschichte_der_heiligen_jahre.html )

Das hat zur Folge: > 1423 kann nicht zutreffen: selbst die früheste Annahme der Stigmatisation wird auf 1432 datiert > 1450 würde bedeuten, dass sie nicht 1447, sondern 1457 gestorben ist. Heute weiß man, dass die hl. Rita zur Seligsprechung eines ihrer 3 Lieblingsheiligen nach Rom pilgerte, zu Nikolaus von Tolentino.

Was aber auch bedeutet, dass die frühere Annahme doch stimmt kann: Todesjahr 1447 (s.a. auch Prunksarkophag). Allerdings muss sie enorme Schmerzen dabei auf sich genommen haben (Polyarthritis im fortgeschrittenen Stadium).

ROSENKRANZGEBET

Es wird teilweise erklärt, dass der Rosenkranz nachträglich beim Friedens-Fresko in der Kirche S. Francesco dazu gemalt worden wäre, weil es zur damaligen Zeit noch keinen Rosenkranz gegeben hätte.

…Der Verfasser der Moralschrift lässt sich allerdings nicht vom frommen Augenaufschlag der Cascianerin beschwichtigen. Er nimmt sie ins Verhör und zwingt sie zu einer Gewissenserforschung, die beinahe keine Schwächen unentdeckt lässt und damit ein vollendetes Zeitbild gibt. “Du bist aufdringlich bei deinem Manne gewe-sen, damit du viele Kleider kaufen konntest und noch vieles mehr, als sein Vermögen ihm gestattet! Du kleine Heuchlerin! Du machtest ohne Wissen deines Mannes mächtige Ausgaben mit jenem Geld, das für den Haushalt bestimmt war; trotzdem trägst du einen langen Rosenkranz und setzt eine fromme Miene auf! Duckmäuserin mit deinem langen Rosenkränzchen, willst du den lieben Gott vom Kreuze holen oder seine Heiligenbilder von der Wand?” (D.T.)

Außerdem sei darauf verwiesen, dass schon Katharina von Siena (1980+, 1 Jahr nach Ritas Geburt) mit einem Rosenkranz dargestellt wurde.

22 Jahre nach Ritas Tod, empfahl am 9.5.1479: Papst Sixtus IV.: Bulle “Ea quae” bereits das tägliche Rosenkranzgebet. Ab 1347 Das Auftreten der Pest läßt die Marienverehrung sprunghaft ansteigen. Vor 1444/1459: Der Bitt-Teil der heutigen Form ist zuerst beim Franziskaner Bernardin von Siena (1380-1444) und beim Dominikaner Antoninus von Florenz (1389-1459) nachzuweisen und ist wohl in toskanischen oder umbrischen Laienbruderschaften in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden.

Wer dazu Genaueres nachlesen möchte, für den ist folgende Internetseite vielleicht aufschlussreich: http://www.helmut-zenz.de/rosenkranz.html

“WUNDER”-KRITERIEN (AUS DER SOGEN. “KURZE BIOGRAPHIE” 1457)

Die Kirchengeschichte berichtet von einem ähnlichen revolutionären Umschwung in der Behandlung des Heiligen-Kultes unter Papst Urban VIII im Jahre 1625. Damals gab man das mittelalterliche Kriterium von der Wundertätigkeit und der körperlichen Unverwestheit als Hauptargument für die Heiligkeit auf und zog endlich den heroischen Charakter des Tugendlebens vor.

Die jetzige Veröffentlichung enthält (im I. Band) außer dem genannten Prozess von 1626 den “Codex miraculorum” (Wunderkatalog) von 1552, d.h. “die hauptsächlichsten Wunder und Gnadenerweise, wie man sie im Seligsprechungsprozess liest”.

Etwa 10 Jahre nach Ritas Tod schreibt ein Advokat von Cascia eine kleine Biographie “dieser hochedlen Frau, der Nonne Schwester Rita” und bemerkt: “Gott (allein) schafft echte lichtvolle Heiligkeit. Er wirkt Wunder, damit die Sünder auf das Leben der Heiligen schauen und Verlangen tragen, zu leben, wie sie gelebt haben. So wirkt er sie auch jetzt, um den Menschen das Leben dieser Ordensfrau als Modell vorzulegen, die Gott diente in Liebe, indem sie 40 Jahre lang das monastische Ideal lebte in Fasten und Gebet. Sie war treu im Dienste Gottes, und Gott, Wunder wirkend durch ihre Fürbitte, war treu, nach seinem Wort: ‘Er wird einem jeden vergelten nach seinen Werken’.

” Die nachkonziliare Kirche hat endlich das Prinzip aufgestellt, dass der öffentliche Kult eines Heiligen nur aufgrund einer historischen Biographie gestattet werden kann, während der Privatkult unangetastet bleibt. Für den Rita-Verehrer bedeutet es darum eine freudige Überraschung, im traditionellen Rita-Leben so viele verbürgte und beweisbare Gegebenheiten zu finden. (D.T.)

MORAL (”MORALSCHRIFTCHEN”)

Das kleine Moralschriftchen, das noch in die Zeit Ritas hineinreicht und das dort in ihrem Kloster wiederentdeckt wurde, offenbart in aufschlussreichen und verhaltenen Worten die Gedanken und die Welt, in der sie lebte und die sie umgab. So ist die Rede von dem oberflächlichen Christentum, mit dem sich die Töchter Evas z.T. begnügten. Dafür verwendeten sie umso mehr Zeit für den Kult der Schönheit, der fast jeden Trick der modernen Kosmetik kannte (s.a. Mode). Der Verfasser der Moralschrift lässt sich allerdings nicht vom frommen Augenaufschlag der Cascianerin beschwichtigen. Er nimmt sie ins Verhör und zwingt sie zu einer Gewissenserforschung, die beinahe keine Schwächen unentdeckt lässt und damit ein vollendetes Zeitbild gibt. “Du bist aufdringlich bei deinem Manne gewe-sen, damit du viele Kleider kaufen konntest und noch vieles mehr, als sein Vermögen ihm gestattet! Du kleine Heuchlerin! Du machtest ohne Wissen deines Mannes mächtige Ausgaben mit jenem Geld, das für den Haushalt bestimmt war; trotzdem trägst du einen langen Rosenkranz und setzt eine fromme Miene auf! Duckmäuserin mit deinem langen Rosenkränzchen, willst du den lieben Gott vom Kreuze holen oder seine Heiligenbilder von der Wand?” Muss man nicht lächeln über diese unbesiegbare Weiblichkeit, die sich so lebhaft und aufdringlich gibt? Sie beweist allzu deutlich, dass unsere Rita nicht unter den Heiligen des Paradieses ihre Tage zubrachte, sondern unter Frauen von normaler moralischer Erscheinung, unter lauter gewöhnlichen, armen und diskutierbaren Kindern Cascias. Um uns Einsicht über das Milieu von Cascia gewinnen zu lassen, … wir weiter in den Ausführungen des Moralschriftchens, das auch die Söhne Adams nicht ungeschoren lässt. Auch sie waren nicht alle Heilige. Sie zogen es z.B. vor, “die schöne Gelegenheit der gebotenen Festtage zu vergeuden mit Ritterspiel und Tanz, mit Singen zu Gitarren, mit Würfel, Karten, Ball- und Schachspiel”. – “Gern fingen sie Streit an, aßen und schliefen im Übermaß, betrogen den Nächsten, vergeudeten ihre Zeit und taten anderen, was sie auf keinen Fall sich selbst zu tun wünschten”. Auch sie vergaßen damals “Gott zu danken für ihre Gaben und Talente, für ihre Gesundheit und Schönheit, für ihren Reichtum und für ihre Kinder”. – “Sie brachten es nicht fertig, dem Nachbarn zu verzeihen, sie beteten nicht für ihre lieben Toten, sie vollstreckten nicht einmal ihr Testament und zahlten nicht ihre Schulden”. In der Schenke führten sie eine lose Zunge: “Gott hätte das nicht machen dürfen”, – “Gott hat das gar nicht schön gemacht”. Nicht anders als die putzsüchtige Eva ging auch der eitle Adam nur allzu oft aus dem Grunde zur Kirche, damit er schöne Mädchen sähe, wenn er es nicht gar vorzog, außerhalb zu bleiben und “auf dem Platze auf und ab zu stolzieren, mit den Augen an den Fenstern und spähend nach einem hübschen Gesichtchen”. Ausgesprochen schwierig scheinen die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern gewesen zu sein: “Du hast deinen Eltern böse Antworten gegeben, hast über sie zu Hause und in der Öffentlichkeit gemurrt; du hast sie verlacht und ihnen nicht behilflich beigestanden, wo sie auf dich angewiesen waren…”. Motive zu heimlichen Tränen gab es also auch in den Häusern jenes Cascia, das nun seit 500 Jahren nicht mehr ist. Und das arme Fleisch? In nichts unterscheidet es sich von den heutigen Tatsächlichkeiten. “Du hast dich verliebt und bist zur Messe gegangen nur deiner Liebsten wegen, du hast geküsst und umarmt…, ihretwegen hast du Streit angefangen und deine hitzigen Worte ließen die Degen klirren…, du hast dich vor anderen deiner Sünden gerühmt, auch derjenigen, die du gar nicht begangen hattest. Du sagtest: ‘O, wenn ich ein Vöglein wär’, flög’ ich in das Kämmerchen meiner Flamme’, … du hast Anderen das schlimmste Beispiel gegeben…”. Das Register ist wie eine zeitlos gültige Gewissenserforschung; – und solch ein junger Mann warb um Rita, liebte und heiratete sie. Ein ausführlicher Sündenkatalog wird in der Moralschrift verzeichnet: Raub, grober Diebstahl, Wucher, Simonie (= Kauf oder Verkauf von geistlichen Ämtern oder Dingen). Alle Schwächen ziehen am scharfen Auge des Inquisitors vorüber: “Du hast betrogen beim Kaufen und Verkaufen, du hast geschworen, um größeren Kredit zu machen, du hast Falschgeld unter das gute gemischt, du hast geschwindelt an der Waage…, hast gestohlene Dinge gekauft…, vom hohen Rosse herab hast du den armen Bauern geschädigt und deine Pferde durch sein Getreide gejagt”. Scheinbar war also der stolze Ritter mit dem Falken auf der Hand nicht immer von ritterlicher Gesinnung. Als schlimmste Anklage gegen eine stolze Cascianerin aber galt jener Vorwurf: “Deine Mitgift ist gestohlenes Gut, Frucht aus dem Wucher deines Vaters!” Die Handelsmoral ist diejenige der Paragraphen des Stadtgesetzes, das die gleichen Vergehen verhüten wollte: “Beim Kartenspiel hast du die anderen listig hintergangen…, du hast den Arbeitern den Lohn vorenthalten…, du hast gekauft und nicht bezahlt…, hast Schaden zugefügt, ohne ihn zu ersetzen…, das Brot eher den Hunden als den Armen gegeben…, und wenn du schon mit herablassender Geste Almosen gabst, so geschah es mit mürrischer Miene…, du fälltest als Schiedsrichter unwahren Spruch, weil du dich nicht kümmerst um Recht und Unrecht, aus Freundschaft und aus Liebe zum Bestechungsgeld”. Auch dies klingt uns nicht allzu fremd in den Ohren. Geiz, Esslust, Trinklust und das arme Fleisch (in dieser Reihenfolge!) sind die Haupttendenzen, die der strenge Moralist zuletzt hernimmt, weil man damals wusste, dass die Laster des Stolzes, des Neides, des Zorns und des Sich-gehen- lassens weit verhängnisvollere Ausflüchte für das Menschenherz sind. Inmitten dieser Menschheit und Menschlichkeit hat Rita ein Leben in Heiligkeit und seelischer Transparenz geführt. Von ihren Mitbürgern hat der Wind auch das letzte Körnchen Staub verweht; sie aber lebt seit 500 Jahren weiter für Tausende ihrer Verehrer und Bewunderer.

Wer über Heiligkeit vergangener Zeiten berichtet, kommt in die Versuchung, dem heutigen Rahmen der religiös – gesellschaftlichen Kritik einen idealisierten historischen gegenüber zu stellen. Sicher ist das nicht die Wirklichkeit. Immer gibt der Mensch mit seiner Menschlichkeit das Maß. Wer also heilig werden will, muss den Mut besitzen, unter den Zeitgenossen zu leben, die Gutes und Böses in sich vereinen. Mit sehr betonten Akzenten spricht das Schriftchen von Stolz, Zorn, Neid und von dem totalen Sich-gehen-lassen, so dass die Beschreibung vom Leser unwillkürlich als persönliche Herausforderung verstanden werden muss. Auch unsre Heilige wird sich solche Worte zu Herzen genommen haben, die unmissverständlich von der Kanzel fielen; denn es zittern eher die Heiligen denn die Sünder.

“Der Stolz ist ein Hochmut des Geistes. Stolz heißt, sein Haupt erheben und andere verachten; Stolz heißt, die anderen übertrumpfen: Du hast dich immer mit dem Verlangen getragen, die anderen zu kommandieren…, du hast dich in Überheblichkeit gewiegt wegen deines Reichtums, wegen deines Namens, wegen deiner Beredsamkeit, der Schönheit deiner Gestalt und des Adels deines Blutes…, auch wegen deiner Gewandung…, du hast danach getrachtet, die Fehler anderer zu erfahren…, du hast dich gefreut, wenn andere eine skandalöse Tat begingen, um nicht allein als Sünder zu erscheinen…, du warst arrogant im Tadeln der anderen…, du hast die Armen, Gebrechlichen und einfachen Leute verachtet…, du hast dich ins Licht gestellt, mehr als es deine Tüchtigkeit und die Arbeit deiner Hände es dir erlaubt hätten…, du hast dich gebrüstet, zu haben, was du nicht hast, zu wissen, was du nicht weißt, zu können, was du nicht kannst…, du hast bei Tisch den ersten Platz begehrt, ebenso bei der Predigt, beim Tanz und in der Politik…, du hast das Gute der anderen gelästert: ‘…der weiß nichts, der versteht nichts’…, nur um selber gelobt zu werden…, du hast dir selber mehr geglaubt als dem, der das größere Wissen besaß…, du hast dem Bösen eher gehorcht als dem Guten.”

Frauen und Männer zu Ritas Zeiten sind also von unseren Zeitgenossen nicht sehr verschieden. Aber anzuerkennen ist der Mut, mit dem sie die eigene moralische Erscheinung im Spiegel der Selbstbetrachtung unbarmherzig annehmen. Die Rüge gegen den Neid, das wie ein grünäugiges Ungetüm sich in vielen erbärmlich-kleinlichen Seelen verbirgt, ist geradezu halluzinierend: “Es hat dir leid getan, Menschen zu sehen, die einen gewichtigeren Namen tragen als du, weil du deshalb deinen eigenen Namen schon geschmälert glaubtest…, aus Neid hast du Gottes Gnade verschmäht, hast getrauert, weil Gott andere mehr liebt als dich…, aus Neid wünschtest du die Vernichtung des anderen, die Vernichtung seines guten Namens, seines Eigentums, ja seiner Person…, aus Neid brachst du den Amtseid…, du freutest dich, als deinem Feinde Unglück geschah…, du hast dich ergötzt an der Verzweiflung der anderen…”.

In einem Cascia, das sich von der Vendetta, dem Rachesystem, zerfleischen ließ, darf es niemanden wundern, wenn Zorn gleichbedeutend ist mit der Lust und Gier nach Rache. Wie viele konnte man dieser Sünde zeihen! Oft ging die Rache weit über das Maß des geschehenen Unrechts hinaus: “Anstatt eines Faustschlages möchtest du ihm mit dem Messer antworten, ihn vielleicht sogar töten”.

Die Gewissenserforschung geht noch weiter: “Du bist so sehr gegen den anderen erbost, dass du nichts Gutes von ihm und seiner Familie hören kannst…, du bringst es nicht fertig, dein Herz zu demütigen, um wieder mit ihm zu sprechen, ihm zu verzeihen; … du siehst es nicht gern, wenn dies jemand tut und lässt sie dafür büßen…, aus Zorn hast du Verleumdungsbriefe geschrieben…, du hast aus Zorn den Teufel verflucht, den Wind, das Wasser, die Kälte, die Hitze und die Fliegen, den Tag und die Stunde deiner Geburt, Sonne, Mond und Sterne, Himmel und Hölle, Vater und Mutter, Brüder und Schwestern, Söhne und Prälaten…, aus Zorn grolltest du gegen Gott. ‘Du grausamer Gott, warum tust du das?’ ” … Vor diesem Verrat am natürlichen und göttlichem Leben mit der tragischen Parallele des verratenen Talentes will die Moralschrift möglichst Viele bewahren: “Du ließest dich so gehen; du wolltest nicht aus dem Hause, auch nicht, um die notwendigsten Besorgungen zu machen…, du ließest dich so weit gehen, dass du dich selber hassen musstest…, dass du mit niemanden reden wolltest…, du hast dich der Faulheit überlassen…, du hast dich so an die Launenhaftigkeit verloren, dass, jemand dir sagte: ‘Gott gebe dir einen guten Tag’, du ihm nicht einmal antworten wolltest…, du hast mit Nichtigkeiten deine Zeit vergeudet, bist über die Plätze und durch die ganze Stadt, ja in die ganze Umgebung geschlendert, hast dich da und dort mit Tändeleien ergötzt, hast nichts Gutes für deinen Leib getan und noch weniger für deine Seele; und die Beichte hast du sogar bist Ostern verschoben…, den Kranken deines Hauses gabst du keine Gelegenheit zum Empfang der Sakramente.”

Cascia war trotz allem immer bereit, Gottes Antlitz auch im menschlichsten Zwielicht zu erkennen und zwar in jeglichen Lebenssituationen, in den gewöhnlichsten und den erhabensten, im Boudoir (= elegantes, privates Zimmer einer Dame), im Geschäft, beim Gesang, beim Tanz und in der Politik.

Und siegte zuweilen der böse Wille, – oft genug war ein Fall nur die Folge eines schwachen, nicht aber eines bösen Willens, der in seiner Gottferne die Stimme des Gewissens nicht mehr klar vernehmbar hören konnte, – so war im letzten die Macht der Liebe, die sich einem größeren Herrn zu diensten gibt, doch noch triumphierenden.

GEOGRAPHISCHE LAGE

Cascia ist eine der ausgedehntesten, gebirgigsten und höchstgelegenen Gemeinden von Umbrien. Durch ein Labyrinth von Bergen, die den Eindruck der Isolierung erwecken, gelangt man dorthin.

Cascia wurde 1328 und im 1700 Jhd. von einem Erdbeben erschüttert.

GESELLSCHAFT UND POLITIK

Gesellschaft

Dichte Wälder überzogen die umbrischen Berge und ließen an der öffentlichen Sicherheit manches zu wünschen übrig. Die Armen verspürten ihr Armsein in einer weit größeren Bitterkeit und die Reichen konnten sich keineswegs mit unserer heutigen Vorstellung von Reichtum messen. Der soziale Abstand jedoch war eine unüberbrückbare Kluft, die den Armen verbittern, den Reichen selbstherrlich werden ließ. Ein Menschenleben hatte keinen allzu großen Wert; wer als Kind dem Schrecken der Pest entkam, konnte in die Hände jener ruchlosen Söldnerscharen fallen, die im Dienste großer oder kleiner Herren oder sogar auf eigene Faust das Land plündernd, sengend, raubend und mordend durchzogen. Hohe Summen von Brandschatzgeldern waren zu zahlen, wollte man sich diese Horden des Unglücks vom Leibe halten. Im Jahre 1394 … “verübten die Cascianer alle Art von Brandschatzung, Diebstahl, Raub, Einkerkerung, Mord, Baumschaden und Frauenraub gegen die Stadt von Aquila”, so wissen die Dokumente zu berichten. Wohl verzieh diesmal die Stadt Aquila großzügig das Unrecht. Aquilas König, Ladislaus von Neapel, verbot seinen Leuten sogar die sogenannte “Cavalcata”, den Racheritt gegen Cascia. Diese Scharmützel gingen jedoch nicht immer so glimpflich aus. In der Regel war eine wütende Rache, die sog. “Vendetta”, das blutige Ende, die wie eine Drachensaat voller Hass und Grausamkeit die einzelnen Bürger von Cascia in einen Bann von Leid und Elend schlug. Der Racheritt eines Kleinstaates folgte dem einer anderen Kleinrepublik auf dem Fuße. In wilder Besessenheit jagten Aufgebrachte ihre Pferde durch Felder und Ansiedlungen, brandschatzten und zerstörten nach Gutdünken, um es von den Überfallenen bei gegebener Zeit wieder mit Zinsen heimgezahlt zu bekommen. Auch gab es eine Art erlaubter oder geduldeter Vergeltungsmaßnahme privater Art, wobei die Wiedergutmachung von vermeintlichen Rechtsschäden erzwungen werden konnte; allerdings nur von den Bürgern anderer Städte und niemals von eigenen Mitbürgern. Die Cascianer zur Zeit der hl. Rita hätten uns um das heutige System der öffentlichen Sicherheit beneidet, das wir so oft kritisieren. Nach Einbruch der Dunkelheit konnten sie das Haus nicht verlassen, ohne als gefährliche Räuber angesehen zu werden. Wollte z.B. ein Arzt im Dienste des nachts durch die Stadt, so musste er sich durch eine Fackel oder Laterne erkennbar machen. Am Tage hörte die öffentliche Sicherheit an der Stadtmauer auf. Außerhalb der Mauer trieben sich die in Acht und Bann lebenden Opfer der Justiz von Cascia herum. Das Stadtgesetz nennt sie “ex-banditi” und will sie so schnell und unauffällig wie möglich verschwinden lassen; dasselbe Gesetz aber ist der Ausgangspunkt immer neuer zwielichtiger Gestalten. Auch der uralte Ehrenkodex des Rachezwanges verweist in diese Richtung. In der humanistischen Geschichtsperiode Cascias waren die Frauen nicht ohne Kultur: Viele konnten lesen, andere auch schreiben. Unter der Parole “Freiheit” hatte sich Cascia 1375 mit Florenz verbunden. 1377 hatte es den päpstlich-guelfischen Podesta vertrieben. Kurz vorher, 1375, ließen sich die Ghibellinen, sicher nicht aus reiner Liebe, mit dem kleinen Volke von Cascia ein. Die Guelfen paktierten ihrerseits aus ähnlichen Motiven mit der Bürgerschaft, die durch einen politischen Schwindel im Jahre 1348 das niedrige Volk um seine Rechte betrogen hatte, nur um alle Macht an sich zu reißen. Außerhalb der Stadt war die Situation nicht besser. Banden und Banditen durchschwärmten die Gegend.

Das politische Leben

Der richterliche und exekutive Zweig von Cascias Regierung wurde von dem “Podesta”, dem Bürgermeister mit seinem Vikar und seinem Statthalter, ferner von 4 Richtern, den 2 Polizei-Offizieren und den 28 Polizisten gebildet. Diese Ämter wurden alle 6 Monate neu besetzt und zwar mit Männern aus der näheren oder weiteren Umgebung, nie aber von Cascianern selbst. Jeder dieser Regierungswechsel kostete dem Stadtsäckel 700 Gulden. Cascias Bürger verlangten von den fremden Regierungsbeamten absolute Neutralität und Rechtlichkeit. Sie durften sich weder mit dem Adlerwimpel (Hoheitszeichen der Ghibellinen), noch mit den Lilienfähnchen (Hoheitszeichen der Welfen bzw. Guelfen), zeigen. Eine sprichwörtliche Unbestechlichkeit sollte ihre Qualität unter Beweis stellen. Hielt dieser Beweis auch stand? Sie regierten mit anmaßender Allmacht und Allwissenheit, die sie sich durch Spitzel und Spione zu verschaffen wussten. Diese wiederum entwickelten bei ihren dunklen Geschäften einen sehr verdächtigen Eifer; bekamen sie ja von den eingeforderten Geldstrafen die Hälfte als Lohn. Und doch konnte niemand beweisen, ob dieses unsaubere Geld zuweilen nicht in den Taschen der Regierenden selbst blieb. Den gesetzgebenden Zweig der Regierung bildeten die Bürger Cascias. Dazu gehörten die 24 Konsulen, – 4 für je zwei Monate-, die 24 Ratsherren, die 24 Sachverständigen und die 70 Beisassen. Berufsmilitär konnte die Stadt nicht un-terhalten. Dafür hatten 200 Bürgersoldaten die Ehre, im Kriegsfalle für das Vaterland zu sterben. Gelegentliche Zwiste zwischen Bürgertum und gewöhnlichem Volk, zwischen Welfen und Ghibellinen waren nicht selten. Das Gespenst der Blutrache trieb all zu oft sein Unwesen. Durch das Stadtgesetz selbst, das fast keine Todesstrafe vorsah, dafür aber umso ausbeuterische Geldbußen, wurden die kleinen Leute zum Banditentum angestiftet. Die Söhne der besseren Familien zwang es im Falle eines Konfliktes in das politische Exil. In den benachbarten kleinen Republiken führten sie auf deren Festungen den Soldatendienst aus. Kamen sie bei kriegerischen Händeln wieder mit den Cascianern zusammen, so wurden sie bei der Gefangennahme sofort hingerichtet. Ein so Geächteter in Acht und Bann (ex-bandito), war nichts anderes als ein gehetztes Tier, völlig rechtlos der Willkür preisgegeben. In Zivilfällen konnte er also von jedem niedergeschlagen werden, wenn es nur nicht zum Blutvergießen kam. Bei kriminellen Vor- kommnissen durfte es nur nicht zum Totschlag kommen; die Hinrichtung selbst war ja in Cascia zu vollstrecken. Ein menschlicher Zug im Gesetzbuch Cascias gab den streitenden Parteien die Möglichkeit, sich außerhalb des Gerichtes zu versöhnen; und zwar mit sehr günstigen legalen Folgen im Gerichtshof selbst. Bei einer solchen Versöhnung wurden sämtliche Geldstrafen um ein Drittel gekürzt. Leider war die Staatskasse immer leer und Cascia konnte sich diese Großherzigkeit nicht all zulange leisten. Um das Jahr 1380 wurden die finanziellen Vergünstigungen der außergerichtlichen Versöhnungen wieder beschnitten. Es ist unschwer, sich vorzustellen, dass viele Cascianer vor Torschluss zur Versöhnung mit ihrem Gegner bereit waren. Erst kürzlich wurden gegen 20 solcher Versöhnungsurkunden aus den Jahren 1380 – 1381 veröffentlicht.

Vendetta (Blutrache)

Es war keine Außergewöhnlichkeit, im Parteihader der Guelfen und Ghibellinen ein Opfer der erhitzten Gemüter zu werden. Infolge alter Rachezustände und aufgrund der Gegensätze zwischen dem Bürgertum und dem einfachen Volke kam es immer wieder zum Blutvergießen. Die politischen Kämpfe, die Zusammenstöße zwischen Stadt und Land, die andauernde Drohung der wilden Kriegeshorden, die unablässig die kleinen Republiken umschwärmten, wie auch die Kettenreaktionen bei Familienrachen brachte zunächst das Leben der Höherstehenden in Gefahr, wogegen das der Armen zumeist verschont blieb. Sie starben als Opfer der zahlreichen Zeitkrankheiten. Ferdinand aber wurde von Verrätern und satanischem Gesindel meuchlings ermordet. Mit dieser unseligen Tat war nicht nur der Tod des Vaters geplant, sondern man suchte auch die Söhne zu vernichten und somit den Namen Mancini auszurotten. Diese abscheuliche Untat konnten die Übeltäter direkt vom Gesetze durchführen lassen. Denn falls sie über das Stadtgesetz informiert waren, – wahrscheinlich waren es selber auch Advokaten, – so hätte es genügt, die Jungen zu einer Vergeltungsmaßnahme anzueifern. Sie brauchten ihnen nur zuzuraunen, dass sie die Scheune des Mörders, seinen Schuppen oder sein einsames Haus anzünden sollten. Taten die Jungen wirklich etwas Ähnliches, so waren sie der Todesstrafe verfallen; denn das Gesetz forderte Todesstrafe auch schon für 14-jährige Jungen, die ein zufällig bewohntes Haus angezündet hatten. Die Verräter bräuchten also nur schwören oder schwören lassen, dass die Brandstiftung an einem bewohnten Gebäude stattgefunden hatte – und schon waren Ritas Söhne lauf Gesetz zum Tode verurteilt. Leider ist diese Mutmaßung kein Roman, sondern eine Wahrscheinlichkeit, die im Rahmen Cascias ernsthaft in Betracht gezogen werden muss. Ein alter Hymnus besingt Rita als Mutter, als liebevolle Mutter ihrer Kinder und als Schmerzensmutter derselben: Also ist die Tragödie in Ritas Familie verbürgt. Dann folgen im gleichen Hymnus zwei mysteriöse Zeilen, die dringend eine Erklärung verlangen: “Rita, du hast das Exil vermieden, damit ihnen kein qualvoller Henkertod zuteil werde”. In der Sprache Cascias heißt ‘Exil’ immer politisches Exil. Fiel auf die Söhne der bürgerlichen Familien die Todesstrafe, so pflegten sie in die Festungen der umliegenden kleinen Republiken zu fliehen, um sich dort als Soldaten zu verdingen. Wurden sie dann bei gelegentlichen Kriegshändeln von den Cascianern gefangengenommen, so folgte unten am Corno-Fluss die Enthauptung. Es wurden dort zahlreiche Gebeine gefunden. Für Rita sprechen also alle Umstände, dass sie wirklich um den Tod der Söhne betete, damit die Schande des Henkertodes ihrer Familie erspart bleiben möge. Hätten sich die Söhne in Acht und Bann in den Wäldern vor Cascia herumgetrieben, so müssten sie das Leben von gehetzten Tieren führen, immer in Gefahr, von den Verfolgern niedergeschlagen zu werden mit der einzigen Einschränkung: ‘ohne zu töten’ – . War der Schuldige schon zum Tode verurteilt, dann wollte man den Pöbel nicht um das Schauspiel einer öffentlichen Hinrichtung bringen. Ein alter Zeuge berichtet, wie Rita das blutbefleckte Hemd ihres ermordeten Mannes vor den Söhnen versteckt hielt. Dieses corpus deliktum vor Augen hätte die Söhne zu einem wahnsinnigen Racheakt angespornt. Und dann traf die immer schon geahnte Befürchtung Ritas ein: Brandstiftung wurde zur tödlichen Falle ihrer Kinder, die möglicherweise das Stadtgesetz noch gar nicht kannten oder wenigstens nicht die Tragweite des Tatbestandes. Wie oft musste sie beobachten, dass die Gespräche verstummten, sobald sie in einen Kreis von Leuten eintrat, die nichts besseres zu tun hatten, als Rita mit Worten zu quälen: “Wenn eine Rache geschieht, musste wohl auch eine Ursache da sein”. Üble Nachreden dieser Art waren mit einer Geldstrafe von 25 Gulden belegt. Wer jemanden, bis hinauf ins vierte Geschlecht, eine Gewalttätigkeit vorwarf, der sollte jedes mal mit einer schweren Geldbuße zurecht gewiesen werden, so wollte es das Gesetz. Wer aber kann durch ein Gesetz böse Gedanken und Worte fernhalten? Die alte Biographie stammt aus der Zeit, in der nicht wenige Frauen von der eigenen Familie hinter den Klostermauern begraben wurden. Auch im Cascia der hl. Rita führte bürgerliche Eitelkeit dazu, die erste Tochter mit überreicher Mitgift standesgemäß zu verheiraten und die anderen logischerweise ins Kloster zu stecken. An und für sich hätte die Aufnahme Ritas ja den Klosterfrieden sehr in Gefahr gebracht; denn das Stadtrecht von Cascia setzte voraus, dass ein unschuldiges Opfer wie Rita im Hassbann der Vendetta blieb und die klösterliche Gemeinschaft so unschuldigerweise bedrohen konnte. Schließlich hätten sich auch noch finanzielle Folgen einstellen können, wenn eine Nonne, dann gewiss nicht die heiligste, sich auf die tragischen Ereignisse in Ritas Familie entsonnen und darauf angespielt hätte; sicher müsste das Kloster dann mehr als einmal die gesetzliche Geldstrafe von 25 Gulden entrichten. Die Aufnahme Ritas ist ein wahres Zeichen für die Tatsache einer selbst vollzogenen Friedensstiftung.

FRIEDENSSTIFTER

Da sie unter streitenden Parteien Frieden stiften wollte, ist damit gesagt, dass sie in einem gewissen Ansehen stand. Sollte ihre Friedensstiftung auch vom öffentlichen Gerichte anerkannt werden, so war die Rechtskundigkeit unerlässlich. Und schließlich durfte eine gute Portion Zivilcourage nicht fehlen, wollte man den Friedensschluss mit Autorität vertreten. Die Tätigkeit des Friedensstifters erwies sich als ein wahrer Bürgerdienst. Er verlangte Männer, die Prestige, Rechtskunde und Mut besaßen. Im Stadtrecht von Cascia ist die Kontur dieser Gestalt nicht klar umrissen. Ihr häufiges Eingreifen entfaltete sich meist im Hintergrunde der Öffentlichkeit. Jedoch hatte das Stadtrecht verbürgt, dass eine außergerichtliche Friedensstiftung Geltung haben sollte und die damit verbundenen Geldstrafen noch um ein Drittel reduziert seien. Dieser finanzielle Vorteil war ein verlockendes Argument im Munde eines Friedensstifters. Die meisten Zwangsmaßnahmen des Stadtgesetzes bestanden aus empfindlich hohen Geldstrafen. Cascia kannte fast kein Todesurteil. Die Stadt hatte lange Zeit hindurch die außergerichtliche Friedensstiftung begünstigt. Um das Jahr 1380 sah sich Cascia jedoch gezwungen, dieses Privileg gewaltig zu beschneiden. Fanceschini gibt uns in seinem Geschichtsbuch Cascias die Gründe dafür an: Wegen der hohen Kriegssteuer waren die Stadtkassen leer. Die Kosten der Kriege und Kleinkriege, die Erpressungsgelder, die an die wilden Söldnerscharen zu zahlen waren, um sie von der Stadt abzuhalten, das alles zwang zu einer Änderung des großzügigen Verfahrens. Die Friedensurkunden in den Rita-Dokumentationen sind alle von der Art, die rechtsmäßig im Gericht registriert werden konnten. Dagegen konnten Friedensstiftungen, die nach einem Morde notwendig wurden, offenbar nicht im Gerichte eingetragen werden, ohne einen Kriminalprozess in Bewegung zu setzen. Sie waren dazu bestimmt, geheimgehalten zu werden und im Archiv eines Klosters für immer aufbewahrt zu werden; wenigstens so lange, bis es erneut zum Friedensbruch kam. Nach einem Morde, – beispielsweise nach dem Morde des Mannes der hl. Rita, – kamen die Vorsitzenden der beiden Parteien, die ihren gegenseitigen Hass begraben wollten, vor drei rechtskundigen Friedensstiftern zusammen, deren Ehrbarkeit unantastbar sein musste. Die Oberhäupter der beiden Parteien schwörten ewigen Frieden. Im Falle des Friedensbruches wurde der Name des Schuldigen mit einer öffentlichen Brandmarkung geahndet und ganz Cascia sollte ihn einen Friedensbrecher und Verräter schelten. Die drei Friedensstifter hatten die Friedensurkunde zu veröffentlichen. Alle Unterschriften, die der Friedensstifter, des Notars, der Versöhnten und aller Beteiligten wurden gezeigt und dann der Stab über sie gebrochen und schließlich wurden sie als Wortbrecher gebrandmarkt. Es ist verständlich, dass dieses Amt Mannesmut voraussetzte; denn wer im Hasse fähig war, den Frieden wieder zu brechen, dem war es wohl auch zuzutrauen, sich an dem gründlich zu rächen, der seinen guten Namen in den Staub zu ziehen wagte. Im Kloster der hl. Rita ist uns nur eine einzige Friedensurkunde erhalten geblieben und zwar aus dem Jahre 1562. Die Namen der beiden Gegner sind Girolamo Flamineo und Marc Antonio Giovannbattista, beide aus Cascia. Sie erscheinen vor den Friedensstiftern Marc Antonio Cittadonio, Federigo Nikola und Toquato Fidato als Zeugen und Friedensfestiger und dem Notar Francesco Frenfranello. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn wir die Friedensurkunde in Händen hätten, die nach dem Mord von Ritas Gatte ausgefertigt wurde. An deren Stelle haben wir aber noch mehr als eine solche! Nicht nur ein Dokument aus Papier, sondern ein Friedensfresko erzählt eine wundervolle Begebenheit. Über dem ersten Altar beim Eingang rechts in der Kirche des hl. Franz in Cascia war ein Freskobild, das eine Friedensstiftung zwischen zwei feindlichen Familien mit Friedenskuss und Umarmung darstellt. Offenbar war sie durch das Verdienst Ritas … zustande gekommen. Ritas Gestalt war links neben den beiden Familiengruppen angebracht. Dieses Fresko wurde, soweit es die Versöhnungsszene der beiden Familien anzeigt, später (1504) mit dem Hammer abgeklopft. Aber jener Teil des Bildes, auf dem Rita gemalt war, blieb unangetastet. Im gleichen Jahre setzte man an die Stelle der Versöhnungsszene eine Madonna mit St. Luzia und St. Johannes in der gleichen Arbeitstechnik. Wieso geschah dies im Jahre 1504? Das war das Datum der letzten großen Revolution, die von den Ghibellinen unter einem gewissen Antonelli organisiert wurde. Sogar in Rom hatte man über die zu erwartende Revolte munkeln hören. Als das Gerücht deutlicher wurde, schickte der Papst den Podesta von Bevagna nach Cascia. Er stiftete Frieden und ließ Antonelli auf das Kruzifix schwören. Nichtsdestoweniger kamen die ängstlich verheimlichten Vermutungen nicht zum Schweigen. Tatsächlich fand sich eines Tages Antonelli mit 300 Reisigen hoch zu Ross ein. Der Sturm auf die Festung begann. Diese antwortete den Angreifern mit wohlzielenden kleinen Kanonen und bereitete ihnen eine wütende Vergeltung: zahlreiche Tote und Verletzte waren zu verzeichnen; die übrigen flohen. Später, im Jahre 1517, wurden alle diese Familien vertrieben. Als die Cascianer eines guten Tages wieder nach S. Francesco kamen, zeigte sich ihnen die nackte Wand über dem Friedensaltar als Beweis des sakrilegisch gebrochenen Friedens. Allein St. Rita verharrte noch als eine liturgische Gestalt in unbesiegbarer Friedenshaltung auf der zerstörten Wand. Und damit ist uns das älteste Rita-Bild erhalten geblieben: Ein Vermächtnis aus der tragischen Stunde einer jungen und heiligen Witwe.

INITIALEN

Das Werk “De gestis Domini Salvatoris” (Die Gesten des Heilands) von Simone Fidati, dem größten geistlichen Führer seiner Zeit (1295-1348) in Florenz, Rom und in der Umgebung von Cascia ist der Verehrung des Menschseins Christi gewidmet und ist der Schlüssel, um auch die Heiligkeit der Rita von Cascia zu verstehen. Diese im Mittelalter stark verbreitete Verehrung entstand im Rahmen der augustinischen theologischen Tradition, der sogenannten “Theologie des Herzens”, deren berühmte Vertreterinnen die Augustinerheiligen Rita und Klara von Montefalco waren. Ziel der Verehrung des Menschseins Christi war das Teilhaben der Christen am Leben Christi, wie es uns von den Evangelien erzählt wird. Es sollte in der “ehelichen” Liebe gelebt werden, die jeden Gläubigen mit Christus vereint, vor allem im Teilhaben oder im “Mitleiden” an den schmerzlichsten Momenten seines Lebens, in erster Linie des Leidensweges des Kreuzes. Der Franziskanermönch, der hl. Bernhard von Siena, kleidete diese Verehrung in die Abkürzung JHS (Jesus Hominum Salvator, d.h.: Jesus, Retter der Menschen”, die sich unter dem Volk derart verbreitete, dass sie als Zeichen des Schuztes auf den Türen der Häuser eingeprägt wurde. Dies wird zum Grund vieler Diskussionen unter den Theologen, denn nach Ansicht einiger wurde die Göttlichkeit Christi kompromittiert, die mit dem Zeichen XP (Khristos) ausgedrückt wurde. Ein anonymer Maler zeichnete in Alternative die zwei Monogramme auf dem Sarg, in den der Leib der hl. Rita von Cascia zehn Jahre nach ihrem Tode gelegt wurde, womit die hl. Rita auch unter den Theologen den Frieden stiftete.

WIRTSCHAFT

Die Mauern Cascias und seine hoch aufragenden Türme erhoben sich stolz auf den blau-grün bewaldeten Höhen. Die Häuser der wohlhabenden Stadt trugen schon Ziegeldächer und die Cascianer waren nicht wenig stolz auf die Wasseranlage in Ocosce, an die ihre Stadt angeschlossen war, die zwar nicht im Überfluss die Wasserleitung versorgte, jedoch für alle ausreichend. Die hygienischen Vorkehrungen und Einrichtungen waren mustergültig und das Plätschern der Brunnen an schönen Plätzen der Innenstadt bestärkte den Eindruck der wohlhabenden Bürgerschaft. Hoch oben auf dem Kamm des Apennin verlief der Saumpfad des mittelalterlichen Handels von Florenz über Foligno und Cascia nach Neapel; so wurde aus dem Provinzstädtchen eine kleine Handelsmacht. Das bedeutete Wohlstand, Industrie, Forschritt und Humanismus und damit die Voraussetzung für geistiges und geistliches Leben. Es gab in Cascia Silberschmiede, Papiermühlen, Tuchfärber, Glasereien, Tuchwalker und Handwerker der verschiedensten Art. Rechtlichkeit im Handel, geeichte Maße in den Weinschenken, die Stempel der Gesundheitsbehörde in Metzgereien und Bäckereien und dergleichen sind im Stadtgesetz verankert, so dass dies alte Cascia der hl. Rita auf den modernen Menschen einen überraschenden Eindruck macht. Ihre äußere Umwelt war kein geschlossenes Ghetto. Durch die direkte Verbindung zu Florenz und Neapel kamen über die Kaufleute und deren Handelsknechte die Ereignisse und Neuigkeiten auf unmittelbarem Wege in diese rührige Stadt, deren Fenster, Türen und Horizonte weit aufgetan waren. Diese Glanzzeit des wirtschaftlichen Aufstiegs dauerte allerdings nicht lange, als Rom, die Stadt der Päpste, wegen seines Schismas in Ohnmacht lag. Sobald sie sich wieder effektiv zur Hauptstadt verwandelt hatte, musste der Handel andere Wege vorziehen und somit die Bedeutung Cascias in den Hintergrund treten. Auch der Wandel der Militärwesen trug seinen Teil bei; denn es war mit der Zeit unmöglich geworden, die engen Täler, welche die Stadt umgaben, mit geringen Kosten zu verteidigen. Rita erlebte den Niedergang ihrer Heimatstadt mit eigenen Augen. Für den geschichtlich Interessierten ist der Tod Martin V. als kritisches Jahr in der Historie Cascias als Anhaltspunkt gegeben.

HOCHZEITSRITUAL

Eine Cascianerin konnte sich ohne Zustimmung der Eltern weder verheiraten noch ins Kloster gehen. So wollte es die strikte Vorschrift des Stadtgesetzes. Gaben die Eltern nicht die Zustimmung zu Ritas Zukunft, wer kann ihr dann nach ihrem Tode beistehen? Vielleicht würde ein grausamer Betrüger über ihre Hand verfügen. Sogar die Herren Konsulen hätten das Recht der Vormundschaft über sie.

Bei diesem Ereignis zählte Rita 14 Jahre. Durch die politische Endogamie wollte Cascia sich seine Macht sichern und so heiratete und verheiratete die Bourgeoisie nur im eigenen Kreis. Aus diesen Zusammenhängen kann man kaum annehmen, dass Ritas Mann nicht aus der gleichen sozialen Schicht stammt, obwohl er bäuerlich und guelfisch war.

Hochzeitsfeier

Es kam der Tag des juridischen Eheversprechens oder des juridischen Eheschlusses. Viele Einzelheiten einer solchen Feier sind uns bekannt. Das Stadtgesetz hatte für Hochzeiten und Hochzeitsfeiern kleinliche und exakte Vorschriften parat. die Freundinnen Ritas wünschten der kleinen Braut alles Glück. Die Eltern hatten Tränen stiller Freude in den Augen und waren selig, ihren bürgerlichen Traum endlich verwirklicht zu sehen.

Die Feier konnte in der Kirche oder auch im Hause stattfinden und nach alter Überlieferung trank man dabei ein Gläschen guten Weines. Zehn Männer und zehn Frauen, die den Bräutigam ins Haus der Braut begleitet hatten, waren zugegen. Ein Hochzeitsmahl kannte man noch nicht. Die Zeremonie allein, die Schließung des Ehekontraktes vor dem Staat, vor der Kirche und vor Gott war der Mittelpunkt des Hochzeitstages. Nach dem männlichen ‘Ja’ Ferdinands und dem entschlossenen ‘Ja’ Ritas bot man etwas Wein und Kuchen an. Die Eheleute wechselten die Ringe, die vielleicht ein Geschenk der Freunde waren. Jedes weitere Geschenk war vom Stadtgesetz untersagt. Lediglich die Brautleute durften sich gegenseitig beschenken. Nach Beendigung des Zeremoniells küsste Ferdinand seine Rita und ließ sie dann “in der Obhut des Vaters” zurück. Er hatte die Zeit abzuwarten, nach der er laut Stadtgesetz mit Rita ein eheliches Leben beginnen durfte. Für die Mädchen Cascias galt hierfür das 18. Lebensjahr, die jungen Männer mussten in den hohen Zwanzigern stehen.

Nun erst wurde das eigentliche Hochzeitsfest begangen, das beinahe biblisches Gepräge trug.

Ferdinand schickte eine Gruppe von Freunden aus, die Rita zu holen und unter sein Dach zu geleiten hatten. … Dies ist noch bis heute erhalten, wenn frommer Eifer es auch gründlich umgebaut hat. Auf dem Wege in das Haus des Bräutigams wurde Ritas Truhe vor ihr hergetragen, die heute noch in manchen Gegenden, die “Truhe der bräutlichen Hoffnung” heißt. In ihr waren die Garderobe Ritas, ihre Küchengeräte und die Geschenke für Ferdinand verwahrt, die sie ihm in ihrer Liebe geben wollte. Vor seinem Hause empfing Ferdinand seine junge Frau…

Man begab sich ins Haus und begann mit der Verwandtschaft von Ferdinand Mancini das Festmahl. Für die Verwandten Ritas gab er nach einer Woche ebenfalls ein solches Mahl. Die Ausgaben hierfür waren vom Stadtrecht genauestens vorgeschrieben. Es wurde ein frohes Fest, bei dem die Brautführer mit Humor von den Abenteuern erzählten, die der Braut auf dem Wege zugestoßen waren. Manch einer der Freunde versuchte, ihr ein Geschenk zu überreichen. Diese Geste war vom Gesetze streng verboten. Zum allgemeinen Gaudium spannten die großen und die kleinen Spaßvögel hänfene Seile über die Straße, um den Hochzeitszug zu blockieren. Nun war es Sache der Brautführer, sich durch einen Zoll den Weg wieder frei zu machen. Auch dieser Spaß stand unter strengem Verbot;…

MODE

Die Mode zur Zeit der hl. Rita

Auf alten authentischen Bildern trägt Rita keine eigentliche Ordenstracht, sondern ein besseres Stadtgewand; so war es allgemeiner Brauch vor dem Tridentinum. Wie die Damen und die Cavaliere (in den heute ärmlichen Sträßchen Cascias sind einst Damen und Cavaliere stolz einhergeschritten) sich zu kleiden pflegten, erfahren wir aus einem “Moralschriftchen”, das sich im Kloster der hl. Rita fand. Es gibt uns sehr anschaulichen Aufschluss über das nicht gerade sehr belobte Modetreiben. Daraus zu schließen hatten die Schneiderinnen ein beachtliches Einkommen. Als Mannes Kleidung galt die mittelalterliche Kapuze, die auch von den hohen Herren Konsulen getragen wurde. Die Farben Cascias prangten in hellen leuchtenden Tönen an den Livrees der 2 Polizei-Offiziere und der 28 Polizisten und belebten das Straßenbild. Die Herren der Regierung legten Sorgfalt auf den Ausdruck ihrer Würde, der durch die Sitte ihrer gesellschaftlichen Kreise vorgezeichnet war. (Aus der “Moralschrift”:) Auch sie wollten ihr Aussehen korrigieren und “zupften sich die Wimpern zurecht, säuberten die Stirn von jedem Härchen durch emsiges Rasieren”, um ihr Köpfchen hübsch zu machen. Zu diesem Zwecke liegen sie, die Haare über die Schulter gelegt, in der Sonne, denn ein Kunstwasser hat die dunklen Haare erblonden lassen und nun muss jedem Erfordernis der Schönheit Tribut gezahlt werden. Die Frisur sollte majestätischen Ausdruck zeigen, “sie trugen hohe Haarwulste, Perlenschnüre in den Haaren, Gehänge von Perlen und Seidenfransen.” An den Schuhen liebte man hohe Sohlen und Absätze um das, – so sagt der alte Moralist, – “vorzutäuschen, was Gott gar nicht gemacht hat”. Und seht, da sitzt unsere kleine Eva des 15. Jahrhunderts vor dem Spiegel im Boudoir, “geschniegelt und gestriegelt”, eine stolze, zierliche Eitelkeit, die den Kirchenbesuch nicht nur dazu benutzt, um geistliches Verstehen und Verzeihung zu gewinnen, sondern den entzückten Ausruf von schmeichlerischen Lippen zu vernehmen: “Was ist doch das für eine schöne Kreatur!”